Innere und äußere Haarzellen

Das Vorhandensein von zwei Arten von Haarzellen, den inneren und äußeren Haarzellen, im Corti-Organ wurde schon vor fast 100 Jahren erkannt, aber die Funktion der beiden ist erst in den letzten 20 Jahren klar geworden. Der erste Hinweis darauf, dass sie unterschiedliche Rollen beim Hören spielen könnten, kam vor etwa 40 Jahren als Ergebnis einer akribischen anatomischen Untersuchung, die ergab, dass die meisten Nervenfasern, die Informationen zum Gehirn transportieren, nur die inneren Haarzellen kontaktieren. Das bedeutete, dass die meisten Informationen über die akustische Welt das Gehirn über die inneren Haarzellen erreichten. Was war dann die Rolle der äußeren Haarzellen, die mehr als dreimal so zahlreich sind? Das Rätsel wurde durch die Entdeckung vervollständigt, dass neuronale Fasern, die von Neuronen tief im Gehirn stammen und Informationen zurück an die Haarzellen senden, nur die äußeren Haarzellen berühren. Später wurde festgestellt, dass die Stereozilien der äußeren Haarzellen fest in die darüber liegende Tektorialmembran eingebettet sind, während die Stereozilien der inneren Haarzellen nur eine dünne Verbindung herstellen. Die äußeren Haarzellen befinden sich in der Nähe der Mitte der Basilarmembran, wo die Vibrationen am stärksten sind, während die Basilarmembran unter den inneren Haarzellen verankert ist (siehe Abbildung 5). Diese Beobachtungen legen nahe, dass die Bewegung der Stereozilien und die daraus resultierende Modulation ihrer Ionenströme für die äußeren Haarzellen wahrscheinlich größer ist als für die inneren Haarzellen. Mehrere Studien, die die Innenohren von Gehörlosen kurz nach deren Tod untersucht hatten, zeigten, dass die äußeren Haarzellen für das Hören erforderlich sind. Es war klar, dass die inneren Haarzellen dazu dienten, Informationen an das Gehirn zu übertragen, aber die Rolle der äußeren Haarzellen blieb ein Rätsel.

Die mechanischen Schwingungen des Corti-Organs wurden seit den 1940er Jahren von Ingenieuren analysiert. Ihre Analyse konnte die ursprünglich von von Bekesy gemessene Frequenzselektivität in der aus Leichenohren gewonnenen Cochlea erklären. Damals war bekannt, dass die gemessene Frequenzselektivität und die aus der ingenieurwissenschaftlichen Analyse berechnete Frequenzselektivität nicht an die Frequenzselektivität des menschlichen Gehörs oder an die Frequenzselektivität, die an einzelnen Nervenfasern gemessen werden konnte, heranreichte. Kurz nach dem 2. Weltkrieg schlug ein amerikanischer Astrophysiker, der während des Krieges am Radar gearbeitet hatte, vor, dass die Frequenzselektivität der Cochlea erhöht werden könnte, wenn eine Quelle mechanischer Energie in der Cochlea vorhanden wäre. Sein Vorschlag wurde weitgehend ignoriert, bis mehrere Ingenieurgruppen in den späten 70er Jahren den potenziellen Nutzen dieser hypothetischen Energiequelle wiederentdeckten. Sie waren gezwungen, die mögliche Existenz dieses „Cochlea-Verstärkers“ in Betracht zu ziehen, als verbesserte Messungen an lebenden (im Gegensatz zu toten) Ohren zeigten, dass sich die mechanische Frequenzselektivität im lebenden Ohr der des menschlichen Gehörs anzunähern begann. Das Konzept, dass eine Quelle mechanischer Energie in der Cochlea existiert, schien bestätigt, als in den späten 70er Jahren entdeckt wurde, dass Töne im Innenohr erzeugt werden. Diese Töne können gemessen werden, indem man ein empfindliches Mikrofon in den Gehörgang einführt. Sie wurden otoakustische Emissionen genannt und werden nun routinemäßig in der Klinik gemessen, um das Gehör zu beurteilen. Ihre Entdeckung war für die Sinnesphysiologie erstaunlich, denn sie war gleichbedeutend mit der Feststellung, dass Licht aus dem Auge kommt (was nie beobachtet wurde). Innerhalb von fünf Jahren wurde entdeckt, dass sich die äußere Haarzelle durch elektrische Stimulation verlängern und verkürzen lässt. Die Funktion der äußeren Haarzelle beim Hören wird nun als die eines Cochlea-Verstärkers aufgefasst, der die Empfindlichkeit und Frequenzselektivität der mechanischen Schwingungen der Cochlea verfeinert.

Nächstes Kapitel: Elektromotilität der äußeren Haarzelle

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