Mathematik im alten Ägypten

Das Zahlensystem und die arithmetischen Operationen

Die Ägypter, wie auch die Römer nach ihnen, drückten Zahlen nach einem Dezimalschema aus, indem sie separate Symbole für 1, 10, 100, 1.000 usw. verwendeten; jedes Symbol erschien im Ausdruck für eine Zahl so oft, wie der Wert, den es repräsentierte, in der Zahl selbst vorkam. Zum Beispiel stand Mathematik für 24. Diese eher umständliche Schreibweise wurde in der Hieroglyphenschrift verwendet, die man in Steininschriften und anderen formalen Texten findet, aber in den Papyrusdokumenten verwendeten die Schreiber eine bequemere abgekürzte Schrift, die sogenannte hieratische Schrift, in der zum Beispiel 24 als Mathematik geschrieben wurde.

Alte ägyptische Ziffern
Alte ägyptische Ziffern

Alte Ägypter schrieben üblicherweise von rechts nach links. Da sie kein Positionssystem hatten, brauchten sie separate Symbole für jede Potenz von 10.

Encyclopædia Britannica, Inc.

Ägyptische hieratische Ziffern
Ägyptische hieratische Ziffern

Ägyptische hieratische Ziffern.

Encyclopædia Britannica, Inc.

In einem solchen System laufen Addition und Subtraktion darauf hinaus, zu zählen, wie viele Symbole jeder Art in den numerischen Ausdrücken vorhanden sind, und dann mit der resultierenden Anzahl von Symbolen umzuschreiben. Aus den überlieferten Texten geht nicht hervor, ob und welche speziellen Verfahren die Schreiber zur Unterstützung dieses Vorgangs verwendeten. Aber für die Multiplikation führten sie eine Methode der sukzessiven Verdopplung ein. Um zum Beispiel 28 mit 11 zu multiplizieren, konstruiert man eine Tabelle der Vielfachen von 28 wie die folgende:

Tabelle der Vielfachen von 28.

Die verschiedenen Einträge in der ersten Spalte, die zusammen 11 ergeben (d.h. 8, 2 und 1), werden abgehakt. Das Produkt wird dann durch Addition der diesen Einträgen entsprechenden Vielfachen gefunden; so ergibt sich 224 + 56 + 28 = 308, das gewünschte Produkt.

Um 308 durch 28 zu dividieren, wendeten die Ägypter das gleiche Verfahren in umgekehrter Reihenfolge an. Anhand der gleichen Tabelle wie beim Multiplikationsproblem kann man sehen, dass 8 das größte Vielfache von 28 ergibt, das kleiner als 308 ist (denn der Eintrag bei 16 ist bereits 448), und 8 wird abgehakt. Der Vorgang wird dann wiederholt, diesmal für den Rest (84), der sich durch Subtraktion des Eintrags bei 8 (224) von der ursprünglichen Zahl (308) ergibt. Dieser ist aber bereits kleiner als der Eintrag bei 4, der deshalb ignoriert wird, aber größer als der Eintrag bei 2 (56), der dann abgehakt wird. Der Vorgang wiederholt sich für den Rest, der sich durch Subtraktion von 56 vom vorherigen Rest von 84 ergibt, also 28, der ebenfalls genau gleich dem Eintrag bei 1 ist und abgehakt wird. Die abgehakten Einträge werden addiert und ergeben den Quotienten: 8 + 2 + 1 = 11. (In den meisten Fällen bleibt natürlich ein Rest übrig, der kleiner ist als der Divisor.)

Für größere Zahlen kann man dieses Verfahren verbessern, indem man bei Bedarf Vielfache eines der Faktoren mit 10, 20,… oder sogar mit höheren Größenordnungen (100, 1.000,…) betrachtet (in der ägyptischen Dezimalschreibweise sind diese Vielfachen leicht zu ermitteln). So kann man das Produkt von 28 mit 27 finden, indem man die Vielfachen von 28 mit 1, 2, 4, 8, 10 und 20 einsetzt. Da sich die Einträge 1, 2, 4 und 20 zu 27 addieren, muss man nur die entsprechenden Vielfachen addieren, um die Antwort zu finden.

Berechnungen mit Brüchen werden unter der Beschränkung auf Einheitsteile durchgeführt (d.h. Brüche, die in moderner Schreibweise mit 1 als Zähler geschrieben werden). Um z. B. das Ergebnis der Division von 4 durch 7 auszudrücken, das in moderner Notation einfach 4/7 ist, schrieb der Schreiber 1/2 + 1/14. Das Verfahren zum Finden von Quotienten in dieser Form erweitert lediglich die übliche Methode zur Division ganzer Zahlen, bei der man nun die Einträge für 2/3, 1/3, 1/6 usw. und 1/2, 1/4, 1/8 usw. untersucht, bis die entsprechenden Vielfachen des Divisors die Summe des Dividenden ergeben. (Man beachte, dass die Schreiber 2/3 mit einbezogen haben, obwohl es kein Einheitsbruch ist.) In der Praxis kann das Verfahren manchmal recht kompliziert werden (zum Beispiel wird der Wert für 2/29 im Rhind-Papyrus als 1/24 + 1/58 + 1/174 + 1/232 angegeben) und kann auf verschiedene Weise berechnet werden (zum Beispiel könnte dieselbe 2/29 als 1/15 + 1/435 oder als 1/16 + 1/232 + 1/464 usw. gefunden werden). Ein beträchtlicher Teil der Papyrustexte ist Tabellen gewidmet, die das Finden solcher Einheitsbruchwerte erleichtern sollen.

Diese elementaren Operationen sind alles, was man zum Lösen der arithmetischen Probleme in den Papyri braucht. Zum Beispiel „um 6 Brote unter 10 Männern zu teilen“ (Rhind-Papyrus, Problem 3), muss man nur dividieren, um die Antwort 1/2 + 1/10 zu erhalten. In einer Gruppe von Problemen wird ein interessanter Trick verwendet: „Eine Menge (aha) und ihre 7. ergeben zusammen 19 – wie lautet sie?“ (Rhind-Papyrus, Aufgabe 24). Hier nimmt man zunächst an, dass die Menge 7 ist: Da 11/7 davon 8 und nicht 19 ergibt, nimmt man 19/8 (also 2 + 1/4 + 1/8), und das Vielfache davon durch 7 (16 + 1/2 + 1/8) wird die gewünschte Antwort. Diese Art von Verfahren (manchmal als Methode der „falschen Position“ oder „falschen Annahme“ bezeichnet) ist in vielen anderen arithmetischen Traditionen bekannt (z. B. in der chinesischen, hinduistischen, muslimischen und europäischen der Renaissance), obwohl sie keine direkte Verbindung zur ägyptischen zu haben scheinen.

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