Röntgen der Hand/Finger

Indikation/Technik

Röntgenaufnahmen der Hand werden vor allem in der Notfallambulanz häufig angefordert. Sie werden vor allem zum Nachweis/Ausschluss einer Fraktur, in der Diagnostik der (rheumatoiden) Arthritis und bei funktionellen Hand- und Handgelenkbeschwerden eingesetzt.

Zur Wiederholung der anatomischen Terminologie: volar/palmar (Handfläche), dorsal (Handrücken), ulnar (Seite des kleinen Fingers) und radial (Seite des Daumens).
Siehe auch Abbildung 1.

Abbildung 1. Palmarflexion / Volarflexion vs. Dorsalflexion (Dorsalflexion) & Radialabduktion vs. Ulnarabduktion.

Wenn es darum geht, eine Fraktur zu bestätigen oder auszuschließen, sollte die Hand/der Finger in mindestens zwei Richtungen abgebildet werden, wie bei jeder konventionellen Aufnahme.

Die Standarduntersuchung der Hand besteht in der Regel aus einer Posterior-Anterior-Aufnahme (PA-Aufnahme) und einer PA-Schrägaufnahme (3/4-Aufnahme).
Für eine PA-Aufnahme liegt die Hand flach auf der Röntgenplatte, auf Höhe der Schulter mit dem Ellenbogen in 90 Grad Beugung. Der Röntgenstrahl durchläuft die Hand von dorsal nach palmar (Abb. 2).
Eine PA-Schrägaufnahme wird in ähnlicher Weise angefertigt, jedoch wird das Handgelenk/die Hand nun um etwa 45° nach lateral gedreht (Abb. 3).

Abbildung 2. Technik für PA-Bild der Hand.

Abbildung 3. Technik für die Schrägaufnahme der Hand.

Wenn es Probleme mit den Fingern gibt, kann eine detaillierte Fingeraufnahme gemacht werden. Eine Standard-Fingeruntersuchung beinhaltet eine PA-Aufnahme und eine laterale Aufnahme. Besonders wenn eine Fraktur bestätigt werden muss, wird häufig eine Schrägaufnahme gemacht.
Der Daumen wird in zwei Richtungen aufgenommen. Für die anterior-posteriore (AP) Aufnahme wird der Arm nach innen gedreht, wobei die dorsale Seite des Daumens flach auf der Röntgenplatte liegt. Der Röntgenstrahl wird von palmar nach dorsal durch die Hand geführt (Abb. 4). Für die laterale Aufnahme des Daumens werden die anderen Finger nach ulnar abduziert und es wird versucht, die Außenseite des Daumens so flach wie möglich auf die Röntgenplatte zu bekommen (Abb. 5).

Abbildung 4. Technik für die AP-Aufnahme des Daumens.

Abbildung 5. Technik zur seitlichen Aufnahme des Daumens.

Normale Anatomie

Die menschliche Hand besteht aus 5 Fingern. Jeder Finger wird mit einer römischen Ziffer bezeichnet:

  • Digitis-I (dig-I) = der Daumen
  • Digitis-II (dig-II) = der Zeigefinger
  • Digitis-III (dig-III) = der Mittelfinger
  • Digitis-IV (dig-IV) = der Ringfinger
  • Digitis-V (dig-V) = der kleine Finger

Die Hand/Finger sind über mehrere Ebenen unterteilt (Abb. 6):

  • Carpometacarpal (CMC)-Gelenke; Gelenkverbindung zwischen Komponenten der Handwurzel und den Mittelhandknochen.
  • Metacarpophalangeal (MCP)-Gelenke; Gelenkverbindung zwischen den Mittelhandknochen und den proximalen Phalangen.
  • Proximale Interphalangealgelenke (PIP); Gelenkverbindung zwischen den proximalen Phalangen und den mittleren Phalangen.
  • Distale Interphalangealgelenke (PIP); Gelenkverbindung zwischen den proximalen Phalangen und den mittleren Phalangen.

Die Mittelhandknochen und Phalangen sind kleine Röhrenknochen und können weiter in Basis, Schaft und Kopf unterteilt werden (Abb. 6).

♦ Abbildung 6. Normale Anatomie der Hand. CMC = Karpometakarpalgelenk, MCP = Metakarpophalangealgelenk, PIP = proximales Interphalangealgelenk, DIP = distales Interphalangealgelenk und IP = Interphalangealgelenk.

Dig II – V bestehen aus 3 Phalangen; die proximale Phalanx, die mittlere Phalanx und die distale Phalanx (Abb. 7). Der Daumen hat 2 Phalangen (proximale Phalanx und distale Phalanx).

♦ Abbildung 7. PA/laterale/oblique Aufnahme. Normale Anatomie Dig II – V. PIP = proximales Interphalangealgelenk, DIP = distales Interphalangealgelenk.

Die Bestimmung der Ebene kann bei der körperlichen Untersuchung der Hand problematisch sein. Die folgende anatomische Skizze kann hilfreich sein (Abb. 8).

♦ Abbildung 8. Normale Anatomie der Hand. PIP = Proximal interphalangeal joint, DIP = distal interphalangeal joint, MCP = metacarpophalangeal joint, S= scaphoid, L = lunate, Tri = triquetrum, P = pisiform, Tm = trapezium, T = trapezoid, C = capitate, H = hamate.

Die Handwurzelknochen sind formal Teil des Handgelenks und werden im Handgelenk-Röntgenkurs ausführlich besprochen.

Merkmale eines normalen Hand-/Finger-Röntgenbildes:

  • Symmetrische Gelenke, bei denen sich die Knochen nicht überlappen (außer den Handwurzelknochen und der Basis der Mittelhandknochen).
  • Die Gelenkspalte der CMC-Gelenke sind gleich groß (durchschnittlich 1 – 2 mm) und bilden eine Zickzack-Konfiguration (Abb. 9).
  • Das relativ bewegliche CMC-I-Gelenk (Sattelgelenk) verursacht Variationen im Gelenkspalt, die fälschlicherweise als (sub)luxierte Stellung interpretiert werden können.

♦ Abbildung 9. Zickzack-Konfiguration der CMC-Gelenke. Die Mittelhandknochen artikulieren proximal mit dem Capitatum, dem Trapezbein und dem Trapezium.

Die Hand besteht aus einer Vielzahl von Knochen, Muskeln, Sehnen und Bändern. Bänder/Sehnen/Muskeln können auf einem Röntgenbild nicht beurteilt werden. Dennoch ist es wichtig, hierüber Kenntnisse zu haben. Weichteilschäden lassen sich manchmal indirekt auf Röntgenbildern erkennen und beeinflussen die Behandlung (siehe auch Abschnitt Pathologie).
Die Hand hat eine komplexe Anatomie; im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung über Beuger und Strecker der Finger.

Beuger:

Die Kollateralbänder (= parallele Bindegewebsbänder) und die Volarplatte sorgen für einen Großteil der Stabilisierung der MCP- und IP-Gelenke.
Die Volarplatte ist eine faserige Bandstruktur, die sich an der Palmar-Seite der Hand befindet. Sie trennt den Knochen von den Beugesehnen und verhindert eine Hyperextension des Fingers.
Die Flexion des Dig II – V wird durch den oberflächlichen Digitalflexor und den tiefen Digitalflexor vermittelt. Der oberflächliche Digitalflexor setzt an der Basis der Mittelphalanx an und vermittelt die Flexion des PIP-Gelenks. Der tiefe Digitalflexor liegt tiefer, inseriert an der distalen Phalanx und vermittelt die Flexion des PIP-Gelenks (Abb. 10).
Der Daumen ist ein einzigartiges Gelenk, bei dem der lange Pollicisflexor die Flexion vermittelt.

Abbildung 10. Beuger und Seitenbänder von Dig II – V.

Extensoren:

Die Daumenextension wird durch die lange Sehne des M. abductor pollicis (Ansatz: Basis des MC-I), den kurzen M. extensor pollicis (Ansatz: Basis der proximalen Phalanx) und den langen M. extensor pollicis (Ansatz: Basis der distalen Phalanx) vermittelt. Die anatomische Schnupftabakdose wird durch den langen Extensor pollicis an der ulnaren Seite und den kurzen Extensor pollicis/langen Abductor pollicis an der radialen Seite gebildet (Abb. 11).

Abbildung 11. Extensoren des Daumens. Anatomische Schnupftabakdose (*).

Die primäre Streckersehne der anderen Finger ist die Sehne des gemeinsamen digitalen Streckermuskels. Die Sehne teilt sich in drei Bänder auf. Die mittleren Bänder setzen an der Basis des Mittelgliedes an. Die beiden seitlichen Bänder vereinen sich distal des PIP-Gelenks und setzen gemeinsam an der Basis der distalen Phalanx an (Abb. 12).

Abbildung 12. Häufiger digitaler Strecker.

Checkliste

Die folgenden Punkte können als Leitfaden für die Beurteilung von Handröntgenaufnahmen verwendet werden.

  1. Ist alles abgebildet?
  2. Ist eine Weichteilschwellung vorhanden? Fremdkörper?
  3. Gesamteindruck des Knochens; Osteoporose? Ossale Läsionen?
  4. Untersuchen Sie alle Gelenke. Wie ist ihre Lage? Sind die Gelenkspalte überall gleich groß?
  5. Position der CMC-Gelenke; gibt es eine Unterbrechung der Zickzack-Konfiguration?
  6. Prüfen Sie die gesamte Länge des Kortex. Gibt es irgendwo eine Unterbrechung oder Asymmetrie?
  7. Im Falle einer Fraktur; Orientierung der Frakturlinie? intra- oder extraartikulär? Ausmaß und Position (Dislokation/Angulation/Rotation/Verkürzung)?
  8. Veränderungen gegenüber früheren Untersuchungen?

Pathologie

  • Luxation

  • Fraktur (Büschelfraktur, Boxerfraktur, Spiralfraktur, CMC-I-Fraktur)

  • Skidaumen

  • Ausrissfraktur

  • Sehnenschaden

  • Osteoarthritis

Luxation

Luxation der Metacarpophalangealgelenke (MCP’s) und der Interphalangealgelenke (PIP’s & DIP’s) sind leicht zu erkennen (Abb. 13).

♦ Abbildung 13. Laterale Aufnahme und PA-Aufnahme von dig-V in der linken Hand. Dorsale Luxation des PIP-Gelenks. Laterale Aufnahme; beachten Sie die Überlappung der proximalen Phalanx und der mittleren Phalanx.

Eine Luxation der Karpometakarpalgelenke (CMC) kann im Röntgenbild unauffällig sein. CMC-Luxationen sind selten, sind oft die Folge eines energiereichen Aufpralls und gehen regelmäßig mit Frakturen einher. Eine CT-Untersuchung wird für eine detailliertere Beurteilung der damit verbundenen Frakturen empfohlen.

Sie sollten auf eine CMC-Luxation achten, wenn (Abb. 14):

  • Der Gelenkspalt an der Basis der Mittelhandknochen ist schlecht sichtbar.
  • Es besteht eine Asymmetrie im Gelenkspalt der CMC-Gelenke.
  • Es liegen Frakturen im Bereich der CMC-Gelenke vor (Basis der & Karpalknochen).
  • Hamatafraktur auf der dorsalen Seite (siehe insbesondere schräges Handbild) ist mit CMC-V-Luxation verbunden.

♦ Abbildung 14. PA-Bild der linken Hand. Unterbrechung der Zickzack-Konfiguration bei einer Luxation des CMC-V-Gelenks.

Fraktur

Die Position der Hand und die Richtung der Kraft bestimmen den Frakturtyp. Die Richtung der Frakturlinie, die Gelenkbeteiligung (intra- vs. extraartikulär) und der Grad der Dislokation/Angulation sollten für jede Fraktur beurteilt werden. Die meisten Handfrakturen sind extraartikuläre Schaftfrakturen der Phalangen und Metakarpalknochen. Extraartikuläre Frakturen mit geringer bis keiner Dislokation sind in der Regel stabil und haben eine gute Prognose.
Die Kenntnis der Band- und Sehnenansätze ist für die Beurteilung von Frakturen unerlässlich. Eine Sehnen-/Bandbeteiligung kann die Prognose und Behandlung beeinflussen.
Bandtyp, Grad der Dislokation, Sehnen-/Bandbeteiligung und allgemeine Faktoren wie Alter, gewünschtes Funktionsniveau etc. sind wichtige Faktoren bei der Entscheidung für eine konservative oder operative Behandlung.

Nachfolgend sind einige häufige Frakturen zusammengefasst.

Büschelfraktur (Abbildung 15):

Eine Büschelfraktur ist eine Trümmerfraktur des distalen Fingergliedes und resultiert meist aus einer Quetschverletzung (z.B. Finger zwischen der Tür eingeklemmt). Büschelfrakturen sind mit subungalen Hämatomen (= Bluterguss unter dem Nagelbett) verbunden. Zusätzlich ist auf eine Verletzung der Beuge-/Strecksehnen zu achten.

♦ Abbildung 15. PA-Aufnahme der Dig-V in der rechten Hand. Büschelfraktur.

Spiralfraktur (Abb. 16)

Die Spiralfraktur der Phalangen/Metakarpalknochen ist berüchtigt für die auftretende Rotation und Verkürzung. Besonders bei einer Dislokation ist auf die Instabilität zu achten.

♦ Abbildung 16. PA-Bild und PA-Schrägaufnahme der linken Hand. Spiralfraktur des MC-II.

Boxerfraktur

Eine Boxerfraktur ist eine transversale Mittelhandfraktur des Halses (= subcapitale) und tritt am häufigsten am 5. Mittelhandknochen auf. Der klassische Mechanismus ist ein Faustschlag gegen eine Person oder eine harte Oberfläche (z. B. eine Wand). Die axiale Kraft in der gebeugten Hand verursacht eine Boxerfraktur, häufig mit Dislokation des distalen Teils (= Kopf) nach palmar (Abb. 17). Anders als der Name vermuten lässt, ist die Boxerfraktur bei Boxern nicht häufiger anzutreffen.

♦ Abbildung 17. PA-Schrägaufnahme und PA-Aufnahme der linken Hand. Subkapitale Fraktur des MC-V (= Boxerfraktur).

Daumenfraktur

Metakarpale Frakturen im Bereich der Metakarpale II – V befinden sich meist im Schaft und Hals. Dies steht im Gegensatz zum Daumen, wo meist die Basis betroffen ist.
Eine extraartikuläre Fraktur des MC-I ist meist transversal oder schräg (Abb. 18/19).

Abbildung 18. Transversale & schräge extraartikuläre Fraktur der Basis des Mittelhandknochens I (seitliche Ansicht).

♦ Abbildung 19. Laterale Aufnahme und AP-Aufnahme der linken Hand. Extraartikuläre Transversalfraktur der Basis des MC-I.

Die intraartikulären Frakturen des MC-I können in eine zweiteilige (Bennett-Fraktur), dreiteilige (Rolando-Fraktur) und eine Trümmerfraktur unterteilt werden (Abb. 20).
Eine Rolando-Fraktur ist eine dreiteilige intraartikuläre Fraktur der Basis des MC-I und hat typischerweise eine T- oder Y-Konfiguration.

Abbildung 20. Intra-artikuläre MC-I-Frakturen. Oben: laterale Ansicht von Bennett-Fraktur (zweiteilig), Rolando-Fraktur (dreiteilig) und Trümmerfraktur. Unten: anteroposteriore Ansicht einer Rolando-Fraktur Typ Y und T.

Bennett-Fraktur

Eine Bennett-Fraktur ist eine intraartikuläre Fraktur der ulnaren Seite der Basis des MC-I. Ein vorherrschender Mechanismus ist eine axiale Kraft, bei der sich der Daumen in Flexion befindet, wie bei einem Faustschlag.
Bei einer Bennett-Fraktur trägt der M. adductor pollicis/der M. abductor pollicis wesentlich zur assoziierten Dislokation/Rotation bei (Abb. 21).
Der M. adductor pollicis ist ein zweiköpfiger fächerförmiger Muskel an der Palmar-Seite der Hand und vermittelt die Adduktion des Daumens. Der Musculus adductor pollicis inseriert an der medialen Seite der Basis des Daumenglieds (Phalanx).
Der lange M. abductor pollicis vermittelt die Abduktion und Flexion des Daumens und inseriert an der Basis des MC I (radiale Seite). Das kleine Fragment auf der palmo-ulnaren Seite bei einer Bennett-Fraktur behält seine anatomische Position dank der lokalen Bänder. Der distale Teil des MC-I wird jedoch einer Adduktion und Supination (durch den M. adductor pollicis) unterzogen. Zusätzlich wird das MC-I in seiner Gesamtheit nach proximal bewegt (durch den langen M. abductor pollicis).

♦ Abbildung 21. Seitliche Aufnahme des Dig-I der linken Hand. Bennett-Fraktur.

Rolando-Fraktur

Eine Rolando-Fraktur kann als eine zertrümmerte Version der Bennett-Fraktur betrachtet werden (Abb. 22). Durch die Beteiligung des Musculus adductor pollicis/longus abductor pollicis kann es zu einer Dislokation/Rotation kommen.
Im Vergleich zu einer Bennett-Fraktur hat eine Rolando-Fraktur eine schlechtere Prognose.

♦ ♦ Abbildung 22. AP-Bild (a) und CT-Scan (b) der rechten Hand (a) Rolando-Fraktur, Typ Y.

Skidaumen

Beim Skidaumen liegt eine Bandschädigung (Verdrehung/Riss) des ulnaren Seitenbandes des MCP-I-Gelenks vor. Der Bandschaden resultiert aus einer erzwungenen Abduktion des Daumens und kann schließlich zu einer Instabilität führen. Dies kann entweder durch eine akute Verletzung (Hängenbleiben im Skistock/Ballsport) oder durch eine chronische Verletzung (wiederholte Dehnung des Gelenkbandes) verursacht werden.
Der Skidaumen ist auch als Wildhüterdaumen bekannt. Im 18. und 19. Jahrhundert mussten englische Wildhüter Kaninchen das Genick brechen, was zu einer chronischen Belastung des ulnaren Seitenbandes führte.
Eine Ruptur des ulnaren Seitenbandes kann mit einem Abrissfragment verbunden sein. Bei ausreichender Kraft kann das Abrissfragment die Adduktorenaponeurose (Aponeurose = Sehnenmembran) durchdringen. Die Adduktorenaponeurose befindet sich dann zwischen dem Abrissfragment und der Insertionsstelle. Man spricht hier von einer Stener-Läsion. Eine Stener-Läsion heilt nicht spontan und ein chirurgischer Eingriff ist angezeigt.

♦ Abbildung 23. Skifahrerdaumen & Stener-Läsion. UCL = ulnares Kollateralband.

Ausrissfraktur

Eine Ausrissfraktur ist eine Fraktur auf Höhe eines Sehnenansatzes. Der Knochen der Ansatzstelle wird durch die Sehne/den Muskel losgerissen (übermäßiger Zug auf den Knochen).
Eine volare Avulsionsfraktur entsteht durch eine erzwungene Hyperextension des Fingers.
Das lose Fragment ist in der Regel nur in der seitlichen Aufnahme sichtbar und betrifft häufig das PIP-Gelenk (Abb. 24). Bei einer volaren Plattenverletzung muss jedoch nicht immer eine Avulsionsfraktur vorliegen, es kann auch eine partielle/vollständige Sehnenverletzung (klinisch reduzierte/abwesende Beugerfunktion) vorliegen.
Das Gelenk hat seine Stabilität verloren. Schließlich kann die Strecksehne (ohne den Widerstand der Beugesehne) eine Hyperextensionsdeformität des Fingers verursachen.

♦ Abbildung 24. Seitliche Aufnahme des Dig-V der linken Hand. Volare Avulsionsfraktur des PIP-Gelenks mit deutlicher proximaler Dislokation. FDS = Flexor digitorum superficialis oder oberflächlicher digitaler Beuger.

Sehnenverletzungen

Mallet-Finger

Beim Mallet-Finger handelt es sich um einen Abriss der Strecksehne an der distalen Phalanx (Abb. 25). Die Sehnenruptur verhindert eine aktive Streckung und führt möglicherweise dazu, dass das Endglied eine Beugestellung einnimmt.
Es kann sich um einen rein ligamentären Abriss (= sehniger Mallet) handeln, der mit einem ossalen Abriss (= ossaler Mallet) kombiniert sein kann oder nicht.
Hinweis: Das Fehlen einer Fraktur schließt einen Mallet-Finger also nicht aus. Die Extensionsfunktion des DIP-Gelenks muss in diesem Fall klinisch beurteilt werden.

♦ Abbildung 25. Seitliche Aufnahme des Dig-V der rechten Hand. Die Beugestellung des DIP-Gelenks und die Unfähigkeit zur Streckung sind Zeichen eines sehnigen Mallet-Fingers.

In etwa einem Drittel der Fälle liegt eine ossäre Avulsion vor (Abb. 26).
Mallet-Finger wird auch als Fallfinger oder Baseballfinger bezeichnet. Der Traumamechanismus beinhaltet häufig ein Kugeltrauma, bei dem das DIP-Gelenk eine erzwungene Hyperflexionsbewegung ausführt.

♦ Abbildung 26. Seitliche Aufnahme des Dig-V der rechten Hand. Ossaler Mallet-Finger mit Dislokation nach dorsal.

Boutonniere-Deformität

Eine Boutonniere-Deformität wird auch als Knopflochdeformität bezeichnet.
Hierbei handelt es sich um eine Fehlstellung, die durch Flexion des PIP-Gelenks und Hyperextension des DIP-Gelenks gekennzeichnet ist. Diese Deformität entsteht typischerweise nach einer Ruptur des Zentralbandes der Strecksehne, z.B. durch eine Fraktur oder volare Luxation). Weitere Ursachen sind Arthrose und rheumatoide Arthritis.
Eine Ruptur des Zentralbandes führt dazu, dass das PIP-Gelenk eine leichte Beugestellung einnimmt. Die lateralen Bänder wandern in palmarer Richtung der ursprünglichen Achse und bewirken schließlich, dass das DIP-Gelenk eine Position der Hyperextension einnimmt (Abb. 27).

♦ Abbildung 27. Boutonniere-Deformität bei einer Ruptur des Zentralbandes der Strecksehne.

Osteoarthritis

Osteoarthritis ist ein Verschleiß des Knorpels. Sie ist mit einer Vielfalt von Symptomen verbunden. Patienten können über fortschreitende belastungsabhängige Schmerzen und/oder Funktionseinschränkungen klagen.
Die Arthrose kann primär sein, ohne dass eine offensichtliche Ursache erkennbar ist. Eine sekundäre Arthrose kann sich z.B. nach einer Fraktur entwickeln. Anhaltende Instabilitätssymptome und veränderte Kraftübertragungen über die Gelenke nach Frakturen können zu langfristigen degenerativen Veränderungen führen.
Radiologische Merkmale der Arthrose:

  • Verengung des Gelenkspalts (sekundär zum Knorpelverlust).
  • Subchondrale Sklerose (vermehrte Knochenproduktion sekundär zum erhöhten Druck bei Knorpelverlust).
  • Osteophytenbildung (Knochenexostosen, die versuchen, die Gelenkoberfläche zu vergrößern).
  • Subchondrale Zysten (sekundär zu Mikrofrakturen des subchondralen Knochens und Druck der Synovialflüssigkeit).

Die primäre Arthrose der Hand entwickelt sich vor allem in den Interphalangealgelenken (PIP’s & DIP’s), dem CMC-I-Gelenk und dem Skaphoid-Trapezium-Trapezoid-Gelenk (STT-Gelenk). Besonders im Anfangsstadium sind die MCP-Gelenke seltener betroffen.
Es gibt auch eine erosive Form der Arthrose, mit erosiven Veränderungen im Gelenk. Diese kann schnell fortschreitend sein. Diese Form der Arthrose tritt meist in den DIP-Gelenken (im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis) bei älteren Frauen auf.

♦ Abbildung 28. Arthrose der DIP-Gelenke und in geringerem Ausmaß auch der PIP-Gelenke (links) versus normale PIP/DIP-Gelenke (rechts).

♦ Abbildung 29. Arthrose des CMC-I-Gelenks und des Kahnbein-Trapezius-Trapezoid-Gelenks (STT-Gelenk). Rechts ein normales CMC-I- und STT-Gelenk.

Quellen

  • B.J. Manaster et al. The Requisites – Musculoskeletal Imaging. 2007.
  • N. Raby et al. Accident & Emergency Radiology – A Survival Guide. 2005.
  • R.W.Bucholz Rockwood & Green’s Fracturen in Adults. 2006.
  • Prof.dr. J.A.N. Verhaar, dr. J.B.A. van Mourik. Orthopedie. 2008.
  • K.L. Bontrager, J.P. Lampignano. Textbook of Radiographic Positioning and Related Anatomy. 2014 (8. Auflage).

Autoren

  • Annelies van der Plas, MSK-Radiologe Maastricht UMC+

  • Prof. dr. J.L. Bloem, Radiologe LUMC

Mit besonderem Dank an S. Challiui (Advanced Practioner Radiology LUMC) & A. Bubberman (Advanced Practioner Radiology LUMC)

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