Anamnese und körperliche Untersuchung
Die Beurteilung und Identifizierung von gutartigen Herzgeräuschen kann in erster Linie durch eine gründliche Anamnese und eine gezielte körperliche Untersuchung erfolgen.
Anamnese
Neugeborene und Kleinkinder
Bei der Beurteilung von Neugeborenen mit Herzgeräuschen ist eine perinatale, pränatale sowie mütterliche Anamnese von größter Bedeutung. Dazu gehören:
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Mütterliches Alter, da fortgeschrittenes mütterliches Alter mit einem erhöhten Risiko für alle Herzfehler verbunden ist.
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Vorgeschichte der mütterlichen Infektionen, wie z.B. TORCH, mit besonderem Augenmerk auf Rötelninfektionen im ersten Trimester, da diese eine hohe Assoziation mit dem offenen Ductus arteriosus (PDA), Pulmonalklappenanomalien, peripheren Pulmonalstenosen und Ventrikelseptumdefekten (VSD) aufweisen.
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Der mütterliche Diabetes mellitus ist aufgrund seiner Assoziation mit asymmetrischer hypertropher Kardiomyopathie ebenfalls von Bedeutung.
Die postnatale Anamnese ist ebenso wichtig und sollte sich auf Fütterungsschwierigkeiten (Schwitzen beim Füttern), Gedeihstörung, Zyanose beim Füttern oder bei Aktivität, respiratorische Symptome (Tachypnoe und erhöhte Atemarbeit) konzentrieren.
Beachten Sie, dass Grad 2/6 und lautere Geräusche in den ersten 24 Lebensstunden eher auf eine zugrunde liegende Herzerkrankung hindeuten, während leisere Geräusche am ersten, zweiten oder dritten Lebenstag mit Veränderungen des pulmonalen Gefäßwiderstands, einem sich schließenden PDA und/oder einer physiologischen Trikuspidalregurgitation zusammenhängen könnten.
Die Bedeutung der präduktalen und postduktalen Sauerstoffsättigung bei Neugeborenen ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil dieser Erstuntersuchung, da Unterschiede von weniger als 3 % bei insgesamt normalen Sättigungen viele angeborene Herzpathologien ausschließen.
Kinder
Bei älteren Kindern und Jugendlichen gilt immer noch das oben Gesagte, jedoch sollte dem Aktivitätsniveau besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Jeder Patient mit einem neuen Herzgeräusch und einem verminderten Aktivitätsniveau oder einer sich verschlechternden Belastungstoleranz (besonders im Vergleich zu Gleichaltrigen) oder Beschwerden über Kurzatmigkeit, Brustschmerzen oder Synkopen bei Anstrengung sollte Anlass zu großen Bedenken hinsichtlich einer zugrundeliegenden kardialen Pathologie geben.
Bei der Beurteilung der Belastungstoleranz ist es wichtig, diese mit einem altersgerechten Ansatz zu ermitteln.
Physikalische Untersuchung
Allgemein
Wie bei jedem anderen Patienten ist es immer wichtig, die Untersuchung eines Kindes, das ein Herzgeräusch hat, mit einer allgemeinen Inspektion und nicht direkt mit einer Auskultation zu beginnen. Der Untersucher sollte genau auf dysmorphe Merkmale, Farbveränderungen, Atemanstrengungen oder andere angeborene Anomalien achten.
Vitalzeichen
Bei jedem Patienten sollte ein kompletter Satz Vitalzeichen, einschließlich Blutdruck (BP), gemessen werden. Besteht bereits der Verdacht auf eine zugrundeliegende Herzerkrankung, dann ist ein Blutdruck von 4 Gliedmaßen sehr zu empfehlen. Achten Sie auf Diskrepanzen zwischen den Blutdruckwerten der oberen und unteren Extremitäten, da dies eine Aortenkoarktation ausschließen könnte. Denken Sie daran, dass der Blutdruck der unteren Extremitäten in der Regel 10 bis 20 mm Hg höher ist als der der oberen Extremitäten, und wenn der Blutdruck der oberen Extremitäten höher ist, muss eine Coarctation ausgeschlossen werden.
Die Sauerstoffsättigung ist ebenfalls wichtig. Zyanotische Herzläsionen können bei der Geburt nicht vorhanden sein, insbesondere duktusabhängige Läsionen oder Tetralogie von Fallot. Bei Verdacht auf intra-/extrakardialen Shunt sollte die Pulsoximetrie der oberen und unteren Extremitäten gemessen werden.
Palpation
Die Palpation der distalen Pulse sollte bei kardialen Patienten immer durchgeführt werden. Die Qualität und das Timing der Pulse können sehr wichtig für den körperlichen Befund in Verbindung mit bestimmten kardialen Läsionen sein. Bei gutartigen Herzgeräuschen sollten die Kliniker in der Lage sein, durchgängig gleichmäßige und normale Pulse zu fühlen, wobei zu beachten ist, dass physiologisch gesehen die Femoralpulse früher als die Brachialpulse bei einem ansonsten normalen Patienten gefühlt werden sollten.
Die Palpation des Brustkorbs ist ebenfalls wichtig, da sie Aufschluss über eine Kardiomegalie aufgrund eines verschobenen Punktes des maximalen Impulses (PMI) oder eines hyperdynamischen Präkordiums geben kann. Das Abtasten des Brustkorbs ist ebenfalls wichtig, da es hilft, eventuelle Herzgeräusche (die später besprochen werden) einzustufen.
Zuletzt ist die Palpation des Abdomens entscheidend. Die abdominelle Untersuchung kann dem Untersucher Aufschluss über die Organe des Patienten geben, z. B. Situs inversus sowie Befunde einer Herzinsuffizienz wie Hepatomegalie.
Auskultation
Die auskultatorische Untersuchung sollte immer systematisch durchgeführt werden. Die 4 allgemeinen Bereiche der Herzuntersuchung (Aorta, Pulmonalis, Trikuspidalis und Mitralis) sollten zuerst untersucht werden, gefolgt von Ausstrahlungsbereichen wie Hals, Axilla und Rücken.
Jedes Herzgeräusch sollte unabhängig voneinander auf Anomalien, Klickgeräusche, zusätzliche Geräusche und schließlich auf das Vorhandensein von Herzgeräuschen untersucht werden.
Besonders sollte auf die folgenden Merkmale eines Herzgeräusches geachtet werden:
Timing: Systolisch versus diastolisch. Beachten Sie, dass holosystolische/pansystolische Geräusche am häufigsten mit kardialen Läsionen wie VSD verbunden sind. Rein diastolische Geräusche sind per Definition immer pathologisch, bis das Gegenteil durch ein Echokardiogramm oder einen Herzkatheter nachgewiesen wird.
Intensität: Bewertungsskala von 1 bis 6. Beachten Sie, dass ein Spezialist jedes Geräusch mit einem Grad höher als 3 bewerten und bis zum Beweis des Gegenteils als pathologisch betrachten sollte.
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Grad 1 ist ein Geräusch, das leiser ist als die Herztöne
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Grad 2 ist ein Geräusch, das so laut ist wie die Herztöne
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Grad 3 ist lauter als die Herztöne
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Grad 4 ist ein Geräusch des Grades 3 plus Vorhandensein eines spürbaren Kribbelns
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Grad 5 ist ein sehr lautes Geräusch, das mit dem Stethoskop knapp auf der Brust gehört wird
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Grad 6 ist ein sehr lautes Geräusch, das mit dem Stethoskop knapp über der Oberfläche der Brust gehört wird
Lokalisation: Lokalisierung des Herzgeräusches auf dem Brustkorb durch die oben genannten auskultatorischen Regionen. Die Region, in der das Geräusch am lautesten zu hören ist, sollte hier angegeben werden.
Qualität: Rau, blasend, musikalisch und quietschend. Gutartige Geräusche sind meist blasend oder musikalisch in der Qualität.
Tonhöhe: Tief, mittel oder hoch. Geräusche mit hoher Tonhöhe sind meist pathologisch. Die meisten gutartigen Geräusche haben eine niedrige, weiche, vibrierende Tonhöhe.
Strahlung: Geräusche sind oft in einer Region am lautesten und in anderen am leisesten zu hören. Bereiche, in die die Geräusche ausstrahlen, sollten beachtet werden. Insbesondere die Ausstrahlung in die einseitige Achselhöhle wie bei der Mitralinsuffizienz oder die Ausstrahlung in den Hals wie bei der Aortenstenose. Einige gutartige Geräusche können auch ausstrahlen, wie Pulmonalflussgeräusche, die in den Rücken ausstrahlen, oder periphere Pulmonalarterienstenosen, die in die bilateralen Axillen ausstrahlen.
Reaktion auf Manöver: Pathologische Geräusche, insbesondere solche valvulären Ursprungs, ändern ihre Intensität nicht durch Manöver. Andere pathologische Geräusche, wie z. B. die von hypertropher Kardiomyopathie, können sich ändern, aber das wird in diesem Artikel nicht besprochen.
Gutartige Geräusche ändern sich oft signifikant mit der Position. Besonders erwähnenswert ist das Stille-Flow-Geräusch, das am lautesten ist, wenn der Patient in Rückenlage liegt, da die Nachlast in dieser Position abnimmt. Venöse Brummgeräusche ändern sich ebenfalls, aber in umgekehrter Weise. Venöse Brummgeräusche sind am besten zu hören, wenn der Patient sitzt, und verschwinden meist vollständig, wenn sich der Patient in Rückenlage befindet.
Ein auskultatorischer Befund, den man im Auge behalten sollte, ist das Vorhandensein eines Strömungsgeräusches bei einem weit fixierten Split S2. Das weit-fixierte Split-Second-Herzgeräusch ist der konsistenteste Befund eines ASD, auch ohne Vorhandensein eines systolischen Auswurfgeräusches.
Typen gutartiger Geräusche
Systolische Auswurfgeräusche
Stillstandgeräusche
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Am häufigsten; verschwindet normalerweise im Jugendalter, kann aber bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben
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Musikalisches, weiches, vibrierendes, tieftöniges systolisches Auswurfgeräusch, das am besten über dem linken unteren Sternumrand und dem Apex gehört wird. Grad 1 bis 3/6. Am lautesten in Rückenlage. Keine Ausstrahlung.
Unschuldiges Lungenfließgeräusch
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Zweithäufigstes,
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Weiches, blasendes, tieftöniges systolisches Auswurfgeräusch, Grad 1 bis 3/6, gewöhnlich am besten über dem linken oberen Sternumrand zu hören und kann in den Rücken und die Axillen ausstrahlen.
Periphere Pulmonalarterienstenose
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Mehrheitlich im ersten Lebensjahr, besonders bei Frühgeborenen
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Kurzes, weiches, mittelsystolisches Auswurfgeräusch, Grad 1 bis 2/6, am besten über dem rechten/linken oberen Sternumrand zu hören mit Ausstrahlung in die Axilla.
Arterielles supraklavikuläres Geräusch
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Wirkt am häufigsten in der späten Kindheit und frühen Jugend
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Kurzes, tiefes Geräusch, Grad 1 bis 3/6, am besten in der Fossa supraklavicularis zu hören und kann zum Hals ausstrahlen.
Benigne kontinuierliche Herzgeräusche
Venöses Brummen
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Häufigstes kontinuierliches benignes Herzgeräusch, am häufigsten zwischen 2 und 8 Lebensjahren
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Weich, wirbelndes, tiefes Geräusch, Grad 1 bis 3/6, am besten hörbar am hohen rechten Sternumsaum und im rechten infraklavikulären Bereich in aufrechter Position. Das Geräusch strahlt nicht aus und verschwindet vollständig in Rückenlage oder wenn der Patient den Hals streckt und sich nach rechts dreht.
Mammary Souffle
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Am wenigsten häufig, normalerweise vor allem bei jungen erwachsenen Frauen zu hören, besonders in der Schwangerschaft oder Stillzeit.
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Weiches, blasendes, hochfrequentes systolisches Geräusch, Grad 1 bis 2/6, am besten über dem vorderen Brustkorb zu hören, speziell über den Brüsten, leiser in aufrechter Position oder bei hohem Stethoskopdruck.